Insolvenzflut bleibt aus: Ein Aufschub der Corona-Hilfsmaßnahmen?

Das Jahr, in dem der Videotelefonie-Service „Zoom“ einen echten Sprint hingelegt hat. Innerhalb eines Jahres konnte das kalifornische Unternehmen beobachten, wie ihr Aktienpreis um 450 Prozent gestiegen ist – Sie hatten zum richtigen Zeitpunkt das passende Angebot. Die Kehrseite der Medaille zeigt Firmen, die durch das vergangene Jahr erneut wirtschaftliche Einbußen hinnehmen mussten. Fünf Monate Lockdown zum Beginn des Jahres und politische Regelungen haben besonders gastronomische Betriebe und Teile des Einzelhandels in die Knie gezwungen. Überraschenderweise bisher ohne Folgen: Die Insolvenzwelle 2021 bleibt erneut aus, die Büchse der Pandora weiterhin geschlossen! Die weltweit meistgenutzte Auskunftei Creditsafe Deutschland hat Daten des letzten Jahres ausgewertet und Vergleiche gezogen: Ein Jahr der Extreme ist im wirtschaftlichen Sektor nicht angekommen – noch nicht!

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Noch ein Schluck der Hilfsmaßnahmen: Warten auf den Insolvenz-Tsunami hält weiter an

Nachdem sich die Insolvenzzahlen bereits im vergangenen Jahr entgegen allen Erwartungen entwickelt haben, überrascht das Jahr 2021 mit noch niedrigeren Fällen. Von Mai bis August hat sich die Kurve zwar den Zahlen des Vorjahres angenähert, zum Anfang und Ende des Jahres 2021 sind sie niedriger denn je – auch im Vergleich zum Jahr 2018 und 2019. Was ist passiert? Peer Hitschke, Risk Expert bei Creditsafe Deutschland, geht bis dato von einem verzerrten Bild aus. Die staatlichen Hilfsmaßnahmen, Kredite und das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht im Jahr 2020 bis April 2021 haben Auswirkungen darauf, wann die prognostizierte Pleite-Welle in Deutschland eintreffen wird. Viele Unternehmen konnten sich durch die Gelder am Leben erhalten, leiden jedoch weiterhin unter den wirtschaftlichen Umständen.

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Überbrückungsgelder als Notärzte: Zahl der halbtoten Unternehmen steigt

Auch wenn sich die Pandemie bisher kaum in den aktuellen Insolvenzzahlen zeigt, gibt eine Kennzahl Grund zur Sorge: Die Halbtoten wachsen stetig. Laut der Definition von Adalet McGowan werden Firmen als Zombies bezeichnet, die drei Jahre in Folge nicht dazu in der Lage sind, die Zinslast für Fremdkapital durch den eigenen Gewinn abdecken zu können. Kurz gesagt: Sie leben nur noch von Krediten und Hilfsgeldern. Mögliche Zinserhöhungen der Zukunft erschweren den Druck auf diese Unternehmen noch zusätzlich.

Die letzte Auswertung aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass die Anzahl der halbtoten Unternehmen von 9,8 auf 11,3 Prozent gestiegen ist. Besonders kleine Unternehmen erreichten einen neuen Höchstwert. Peer Hitschke geht angesichts der andauernden niedrigen Insolvenzzahlen von einem weiteren Anstieg der Zombie-Rate aus. Die wirtschaftlichen Nachwehen der Hilfsmaßnahmen und Kredite machen sich in der Liquidität von Unternehmen bemerkbar. Das wird früher oder später erhebliche Auswirkungen auf die illiquiden Zahlen des Landes haben.

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Groß, stark, pleite: Staatliche Maßnahmen bewirken deutliche Unterschiede

Die Coronakrise wird als externer Effekt beschrieben, der unverschuldet von außen auf Unternehmen wirkt. In solchen Situationen wird davon ausgegangen, dass der Großteil aller Firmen mit wirtschaftlichen Einbußen rechnen müssen. Zu Beginn der Pandemie hat sich jedoch eine Auffälligkeit entwickelt: Besonders mittlere und große Unternehmen meldeten zunehmend Insolvenz an. Woran könnte das liegen? Peer Hitschke betont hierzu den massiven Eingriff des Staates, bei dem sich die Hilfsgelder nach Unternehmensgrößen und der finanziellen Schieflage durch COVID-19 gerichtet haben. Kleinere Betriebe profitieren dadurch, dass sie zu einem gewissen Grad flexibler auf veränderte Situationen reagieren können, während Kurskorrekturen bei größeren Unternehmen eine Weile dauern. Im ersten Quartal 2020 wurden dreimal so viele Großinsolvenzen beantragt wie im darauffolgenden Jahr. Das dies auf den starken Anstieg an Eigenverwaltungen zurückzuführen ist, verstärkt das genannte Bild weiter.

 

Außerdem unterscheiden sich die staatlichen Hilfen in ihrer Art. Während mittlere und große Betriebe nur einen zeitlichen Aufschub ihrer Schulden durch Kredite und Darlehen bekommen haben, konnten sich kleine Firmen von Soforthilfen mit direkter Auszahlung über Wasser halten. Hinzu kommt der weltweite Konjunkturrückgang, welcher die internationale Ausrichtung und damit wirtschaftliche Sicherheit von großen Betrieben außer Kraft setzt.

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Back to the Roots: Erholung der Großen, Leiden der Kleinen

Obwohl sich die Gesellschaft eine Rückkehr zur Normalität gewünscht hätte, begann das vergangene Jahr gleichermaßen herausfordernd. Mittlere und große Unternehmen zeigten dennoch einen starken Rückgang der Insolvenzzahlen - sowohl im ersten als auch im zweiten Halbjahr. Parallel dazu stieg die Kurve der Kleinunternehmen allerdings weiter an. Diese Gegenbewegung lässt sich mit dem Auslaufen von staatlichen Förderungen sowie dem Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht begründen. Weiterhin leiden besonders kleine Betriebe unter den noch immer geltenden Einschränkungen bei laufendem Geschäftsbetrieb. Dadurch vermelden viele einen verminderten Umsatz.

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Fazit: Welle von insolventen Firmen weiterhin in Sicht

Angesichts der andauernden Pandemie und damit verbundenen Neu-Regelungen, können die tatsächlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft noch nicht prognostiziert werden. Viele Betriebe stehen bald vor der misslichen Angelegenheit, Gelder zurückzahlen zu müssen. Kleinere Unternehmen wägen ab, ob sich der finanzielle Verlust durch die staatlichen Hilfen ausgleichen lässt und wie lange es dauert, bis das Geschäft in den kommenden Jahren wieder anläuft. Fakt ist, dass sich die wirtschaftliche Instabilität der letzten zwei Jahre noch nicht in den Insolvenzzahlen widerspiegelt. Obwohl sich die Pandemie-Lage zunehmend entspannt, werden Unternehmen mit der nächsten Krise –dem Ukraine-Konflikt und dessen Auswirkungen – konfrontiert. Sowohl die Inflation als auch Probleme mit Lieferketten werden zunehmend zu Risikofaktoren der wirtschaftlichen Stabilität.

Weitere aktuelle Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, genau wie die Unterteilung in einzelne Wirtschaftssektoren, werden in dem Insolvenz-Monitor von Creditsafe Deutschland festgehalten