Standgas in Corona-Zeiten: Transport- und Logistikbranche mit durchwachsener Bilanz

Die Corona-Pandemie hält die Wirtschaft fest im Griff - auch die Transport- und Logistikbranche ist von eingefrorenen oder sogar stornierten Aufträgen und daraus resultierender Kurzarbeit betroffen. Creditsafe Deutschland hat in einer Analyse nun ermittelt, wie stabil diese Branche aufgestellt ist. In die Auswertung fließen dabei unter anderem die Liquidität, Eigenkapitalquote und das Ausfallrisiko der Unternehmen aus der Transport- und Logistikindustrie ein. Creditsafe greift dazu auf veröffentlichte Unternehmensbilanzen sämtlicher Betriebe dieser Branche zurück und vergleicht diese mit den Daten der über drei Millionen deutschen Unternehmen aller Industrien. Die Untersuchung ergab eine durchwachsene Bilanz der Industrie: Zwar ist der Anteil von Firmen mit hohem Ausfallrisiko vergleichsweise gering, doch die Werte für die Liquidität und Eigenkapitalquote sind unterdurchschnittlich.

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Liquidität: Geringere Zahlungsfähigkeit bedingt durch hohes Anlagevermögen

Branchenübergreifen verfügen mehr als 36 Prozent aller deutschen Unternehmen über eine unzureichende Liquidität. In der Transport- und Logistikbranche ist der Anteil von Firmen mit geringer Liquidität etwas höher und liegt bei 40 Prozent. Der Grund dafür lässt sich in der vergleichsweise hohen Anlagenintensität finden: Über 70 Prozent des Kapitals ist in dieser Branche im Anlagevermögen, also zum Beispiel Fahrzeugen, Gebäuden oder Maschinen, gebunden. Zum Vergleich: Im Durchschnitt beträgt die Anlagenintensität in Deutschland gerade einmal 55 Prozent.

Die Verfügbarkeit von genügend Zahlungsmitteln, auf die ein Unternehmen unmittelbar zugreifen kann, ist in der aktuellen Situation zu einer der bedeutendsten Größen zur Unternehmenssteuerung, aber auch der Bewertung der ökonomischen "Gesundheit" einer Branche geworden. Eine zu hohe Liquidität führt durch den gegenwärtigen Niedrigzins dazu, dass das Vermögen schrumpft. Eine zu niedrige Liquidität erhöht dagegen das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit. Diese Grundsätze galten auch schon vor der Corona-Krise, doch der Balanceakt zwischen zu hoher und zu geringer Liquidität ist in der gegenwärtigen Situation, bedingt durch gravierende Umsatzeinbrüche und Lieferengpässe, bedeutend schwieriger.

Datengrundlage: letzte veröffentlichte Finanzzahlen; *Liquiditätsgrad 3 < 120%, **EK-Quote < 20%

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Eigenkapitalquote: Höher als der Branchendurchschnitt

Knapp über 30 Prozent der Unternehmen in Deutschland verfügen über eine geringe Eigenkapitalquote und laufen daher unter anderem Gefahr, steigende Kapitalkosten wie etwa Zinsen nicht ausreichend deckeln zu können. In der Transport- und Logistikbranche ist dieser Wert etwas höher, etwa 35 Prozent der Unternehmen sind betroffen. Auch hier kann die hohe Anlagenintensität der Branche als Grund herangezogen werden.

Grundsätzlich gilt: Je höher die Eigenkapitalquote eines Unternehmens ist, desto freier ist es von Risiken durch Fremdkapitalrisiken und demnach höher die finanzielle Stabilität und Planbarkeit. Als gesund gilt ein Eigenkapitalanteil von mehr als 20 Prozent.

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Ausfallrisiko: Gefahr einer Firmenpleite vergleichsweise niedrig

Als ein maßgeblicher Faktor zur Bewertung der wirtschaftlichen Stabilität gilt die Ausfallwahrscheinlichkeit, also die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Unternehmen innerhalb der nächsten zwölf Monate Insolvenz anmelden muss. 

Die Ausfallwahrscheinlichkeit liegt in der Transport- und Logistikbranche bei 0,91 Prozent - etwas niedriger als im branchenübergreifenden Durchschnitt von 1,35 Prozent. Im Vergleich mit anderen Industrien stehen Firmen aus dem Transport- und Logistikgewerbe somit gut dar.

Als ein hohes Risiko gilt eine Ausfallwahrscheinlichkeit von mehr als drei Prozent. Rund 8,75 Prozent der Unternehmen aus dem Transport- oder Logistikbereich weisen einen solchen oder höheren Wert auf und gehören damit zur Risikogruppe. Etwa 0,35 Prozent der Firmen dieser Branche kommen sogar auf eine besonders hohe Ausfallwahrscheinlichkeit von mehr als zehn Prozent. Doch auch hier steht die Transport- und Logistikbranche im Vergleich gut da: Der Anteil dieser "Hochrisikogruppe" liegt branchenübergreifend bei einem Prozent und ist somit deutlich größer.

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Die Bilanz der Unternehmen aus der Industrie ist durchwachsen

Die Auswertung von Creditsafe zeigt, dass die Transport- und Logistikbranche eine durchwachsene Stabilitätsbilanz vorweist. Auf der einen Seite sind vergleichsweise wenig Unternehmen dieser Industrie von einer hohen Ausfallwahrscheinlichkeit betroffen, auf der anderen Seite ist der Anteil an Unternehmen mit geringer Liquidität sowie Eigenkapitalquote höher als branchenübergreifende Durchschnitt. Auch durch die Abhängigkeit von der Produktion ist daher zu erwarten, dass die Pandemie am Transport- und Logistikgewerbe nicht spurlos vorbeigehen wird. Besonders betroffen sind diejenigen Unternehmen, die für Branchen tätig sind, deren Geschäftsbetrieb durch die Krise stark eingeschränkt ist, etwa die Automobilindustrie. 

Die Angaben der Liquidität, Eigenkapitalquote sowie die statistische Ausfallwahrscheinlichkeit entstammen der Zeit vor Corona und orientieren sich somit an wirtschaftlichen Normalbedingungen. Gleichzeitig spiegeln diese Indikatoren die Voraussetzung der Unternehmen und Branchen wider, mit denen die Krise überstanden werden muss. In der derzeitigen Situation, in der Teile der Wirtschaft heruntergefahren wurden, sind nicht nur höhere Insolvenzzahlen zu erwarten, auch eine steigende Fremdkapitalquote ist wahrscheinlich. Diese hat den Effekt, dass durch damit einhergehende Zinslasten unter anderem die Investitionsfähigkeit verringert wird. Der Effekt durch die Pandemie lässt sich daher - auch bedingt durch staatliche Eingriffe - noch nicht objektiv und durch Daten fundiert bestätigen sowie vorhersagen. Die nächsten Monate werden zeigen, inwiefern die durchmischte Ausgangsposition dazu beigetragen hat und wie die Transport- und Logistikbranche durch die Krise kommt.

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