Erwartete Insolvenz-Flut nach Corona-Krise bleibt aus

Es sind staatliche Sonderregelungen, die in der Krisensituation in Kraft treten: Überbrückungsgelder, Hilfeleistungen, aber auch Corona-Kredite sollten Unternehmer während der letzten Monate unter die Arme greifen. Trotz ausbleibender oder eingeschränkter Gewinne mussten Miete und andere Betriebskosten in vielen Fällen weiterbezahlt werden. Infolgedessen wurde in Wirtschaft und Politik vor einem deutlichen Anstieg der Insolvenzzahlen im Vergleich zu den Jahren vor Corona gewarnt. Creditsafe, die weltweit meistgenutzte Wirtschaftsauskunftei, ermöglicht mit dem Insolvenz-Monitor transparente Einblicke in die „Gesundheit“ der deutschen Wirtschaft und zeigt: Die befürchtete Konkurs-Flut ist bislang ausgeblieben. Entgegen der öffentlichen Erwartung hält sich das Niveau der Zahlungsunfähigkeiten und Überschuldung von registrierten Unternehmen nicht nur sehr gering, sondern liegt aktuell weit unter den Zahlen der letzten Jahre. 

Chapter 1

Ende der wirtschaftlichen Krise?: Insolvenzrate sinkt weit unter Vor-Corona-Niveau

Um die wirtschaftliche Belastung der letzten zwei Jahre abzufedern, wurde die Insolvenzantragspflicht zeitweilig ausgesetzt. Seit dem 01. Mai besteht nun erstmalig wieder ohne Einschränkungen volle Antragspflicht bei ausbleibender Zahlungsfähigkeit und Überschuldung. In der Statistik zeigt sich dieser natürliche Effekt noch nicht. Demnach hält sich das Niveau im April und Mai weiter bis zu 30 Prozent unter dem aus dem Jahr 2020 und sogar bis zu 50 Prozent gegenüber 2018 und 2019 - vor Corona. 

Ein Grund dafür kann sein, dass viele die Möglichkeiten einfacher Finanzierungsoptionen, wie etwa KFW-Kredite, genutzt haben. Genauso ist es möglich, dass Unternehmer den Wiedereintritt der Insolvenzantragspflicht noch nicht mitbekommen haben oder haben wollen. Andere Firmen haben zumindest zeitweilig von den staatlichen Hilfspaketen profitiert. Neben Überbrückungshilfen, steuerlichen Erleichterungen und Wirtschaftsstabilisierungsfonds konnten Unternehmen, die von der Vielzahl an Hilfsprogrammen nicht erfasst wurden, ihre finanzielle Situation mit den Härtefallhilfen für den jeweiligen Förderzeitraum aufbessern.

Da die Sonderregelung erst vor Kurzem aufgehoben wurde, ist es noch zu früh, allgemeine Aussagen über Effektivität der Hilfsmaßnahmen zu äußern. Einige Herausforderungen für Unternehmen haben sich womöglich nur um wenige Monate verschoben. Ein Überblick der allgemeinen und branchenspezifischen Lage ist jedoch besonders im Risikomanagement von Firmen wichtig, um Chancen aber auch Gefahren frühestmöglich einschätzen zu können.

Spannend wird in den kommenden Monaten und wohl Jahren, inwiefern sich die Einflussnahme gelohnt hat, denn Insolvenzen sind bis zu einem gewissen Grad für einen gesunden Markt erforderlich. Sie stärken gesunde Unternehmen, geben dem Markt Ressourcen frei und unterstützen so die Transformation der Wirtschaft, wobei ineffiziente Unternehmen eigentlich vom Markt verschwinden. Aktuell erleben wir noch ein verzerrtes Bild.


Peer Hitschke
Senior Data Scientist & Credit Risk Expert

Aus diesem Grund sollte die „Gesundheit“ der Wirtschaft weiterhin beobachtet werden. Eines ist schließlich sicher: Die Corona-Krise hat zumindest in der Gesellschaft einiges an Neuerungen mit sich gebracht. Besonders digitale und agile Firmen haben den Schwung profitabel genutzt und ihr Angebot entsprechend angepasst. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Wandel und die wirtschaftliche Erholung auch in dem Erfolg stark betroffener Branchen widerspiegelt.