Branchencheck Kunst- und Unterhaltungsgewerbe

Lebenslust trifft auf Inflationsrisiko

Tanzende Menschen, lachende Gesichter und Bässe, die das Trommelfell vibrieren lassen. Social Media-Kanäle überschlagen sich momentan nur so mit Erinnerungsfotos und -videos von Konzerten und Festivals. Zu lange wurden die Füße stillgehalten, die Lebenslust versucht durch Sporteinheiten zu Hause zu befeuern. 

Jetzt, wo Mindestabstand und begrenzte Personenanzahl passé sind, scheint das Interesse angesellschaftlichen Events größer denn je zu sein – eine Entwicklung, die den Überlebenskampf der Kunst- und Unterhaltungsbranche der vergangenen zwei Jahre fast vergessen lässt. Die weltweit meistgenutzte Wirtschaftsauskunftei Creditsafe Deutschland hat zu jenen Entwicklungen konkrete Zahlen analysiert und zeigt, dass insbesondere kleine Unternehmen vom Markt verschwunden sind.

Chapter 1

Krise fordert Entwicklungen der Moderne: Digitalisierung als größte Chance des Zeitalters

In Zeiten des Lockdowns wurde der mobile Begleiter zum wahren Freund, denn das Smartphone hat den eigenen Konsum sowie die Sehnsucht nach Entertainment zumindest online weiterhin möglich gemacht. Dieser Digitalisierungstrend spiegelt sich nicht ausschließlich im Kunst- und Unterhaltungssektor wider, sondern ist ein generell zu beobachtender Wandel gemäß dem Zeitgeist. 

Vielerorts haben Unternehmen deshalb die Chance gesehen, ihren Online-Auftritt zu professionalisieren oder zu erweitern, andere versuchten sich am Eintritt in den Markt. Gerade modernen oder großen Firmen gelang dieser Schritt in kürzester Zeit, wohin gegen kleinere Betriebe – wie etwa das Kieztheater oder der Plattenladen um die Ecke – weniger Publikum sowie wahrgenommenes Potenzial hatten und dementsprechend nicht mitzogen. 

Der Stillstand des Betriebs zeigt sich in den Zahlen: Von knapp 2000 kleinen Unternehmen sind fast ein Viertel (22,9 Prozent) überschuldet. Zum Vergleich: Der Durchschnitt der gesamten Branche liegt bei 14,3 Prozent, branchenübergreifend ist der Wert mit 11,2 Prozent sogar noch geringer. Gerade die Kunst- und Unterhaltungsbranche ist jedoch von Kleinunternehmen geprägt, sodass sich der Negativtrend deutlich auf das gesamte Geschehen in der Branche auswirken könnte.

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Ein Stopptanz für kleine Unternehmen: Zahl der Insolvenzen wird deutlich zunehmen

Die zweijährige Zwangspause von künstlerischen und unterhaltenden Betrieben sorgte bei vielen Unternehmen für einen absoluten Stillstand der finanziellen Einnahmen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Branche laut registrierten Angaben zu Insolvenzen und Geschäftsauflösungen minimal geschrumpft ist. Von insgesamt 3000 Firmen der Kunst- und Unterhaltungsbranche gingen 1,45 Prozent – ca. 50 Unternehmen – vom Markt. 0,21 Prozent – ca. 10 Unternehmen – meldeten Insolvenz an, wohingegen nur 0,12 Prozent Neugründungen gemeldet wurden. Im Gegensatz zum Referenzjahr 2018 sind die Zahlen der insolventen Unternehmen im Corona Jahr 2021 um 37 Prozent deutlich gesunken. 

Da dieser Effekt in der gesamten deutschen Wirtschaft zu beobachten ist, wird von einem Boomerang der Hilfsmaßnahmen ausgegangen. Auch wenn Insolvenzen aufgrund staatlicher Unterstützung ausblieben, wurden sie in den meisten Fällen wohl nur aufgeschoben. Somit werden sich die tatsächlichen Auswirkungen des Stilstands erst in den Folgejahren zeigen. 

Auffällig ist außerdem das hohe Risikoniveau der noch existierenden Betriebe. Mit einer durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit – also dem Risiko, in den nächsten 12 Monaten insolvent zu gehen – von 1,9 Prozent ist die Gefahr für kleine Unternehmen zwanzig Mal so hoch wie für große Firmen. Aber auch mittelgroße Betriebe weisen mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,2 Prozent einen deutlich geringeren Wert auf. Demnach scheinen erste Prognosen dahin zu gehen, dass die Zahl der Insolvenzen in den kommenden Jahren noch deutlich ausschlagen wird.

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Fazit: Post-Corona-Lebenslust trifft auf Inflation

Das momentane Abbild der wirtschaftlichen Stabilität von Unternehmen der Kunst- und Unterhaltungsbranche ist durchwachsen. Die Zahl der Insolvenzen und Geschäftsauflösungen sind angesichts der prekären Lage der letzten zwei Jahre noch überschaubar und betreffen hauptsächlich kleinere Unternehmen. Diese haben auch eine deutlich höhere Ausfallwahrscheinlichkeit als mittlere und große Betriebe. 

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt weiterhin, dass knapp 12 Prozent der Hilfsgelder aus Corona-Maßnahmen an die Kunst- und Unterhaltungsbranche gingen. Mit knapp 1,21 Milliarden Euro hielten sich Museen, Theater, Konzertveranstalter, Freizeitparks, Fitnessstudios oder Tanzschulen über Wasser. Diese Gelder dienten als Überbrückung und dürften bald aufgebraucht sein. Entscheidend für den weiteren wirtschaftlichen Verlauf wird somit die unterhaltungsfreudige Post-Corona-Zeit sein, in der die neugewonnene Lebenslust auf Inflation trifft und somit die Branche ein weiteres Mal auf die Probe gestellt wird. 

Am Beispiel vom E-Commerce Bekleidungs-Unternehmen Zalando zeigt sich, dass Konsumenten ihre Ausgaben für nicht-essenzielle Waren und Dienstleistungen zurückfahren. Der Fashion-Riese hat eine auffällige Korrektur seiner Gewinn- und Ertragsprognosen für das aktuelle Geschäftsjahr vorgenommen. Wie stark dieser Effekt nun auch die Unterhaltungsbranche trifft, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Kunst- und Unterhaltungsbranche

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