Branchencheck Energieversorger

Eine Branche in der weltweiten Krise

Kaum liegt die sommerliche Hitzewelle 2022 hinter grauen Wolken, wird es gemütlich in den eigenen vier Wänden. Der Herbstmantel wird aus dem Schrank gekramt, die dicke Daunendecke bezogen und mit Erschrecken festgestellt, dass es wieder nur noch ein paar Monate bis Weihnachten sind. 

Wie ein grauer Schleier legt sich jedoch ein Thema über die Medienwelt und dominiert die Schlagzeilen sämtlicher Zeitschriften und Nachrichtenportale: Die Energiekrise wird mit Beginn der kalten Temperaturen noch realer und herausfordernder für Politik sowie den einzelnen Haushalt. Wie viel kann und darf noch geheizt werden? Ist warmes Duschen notwendig? Brauchen wir ein festlich beleuchtetes Weihnachten? Und vor allen Dingen: Wie schaffen wir den Schritt in Richtung erneuerbare Energien, ohne die fortlaufende Versorgung zu gefährden?

Chapter 1

2021 – das Jahr der Gegensätze

Das Jahr 2021 hatte viele Tücken im Gepäck: Neben einem nicht enden wollenden Corona-Winter, in dem das Haus nicht verlassen werden durfte, machte sich auch ein auffällig kaltes Frühjahr auf der Stromrechnung und in den Heizkosten bemerkbar. Auf der Gegenseite stand das stetig steigende Umweltbewusstsein von Politik und Bevölkerung, dass einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen veranlasste. 

Aktuelle externe Faktoren erzwingen darüber hinaus Pläne zur Unabhängigkeit von Importen auswärtiger Lieferanten. Fossile Energiequellen wie Kohle und Erdgas sollen hierfür schrittweise durch regenerative Alternativen wie Windkraft, Biomasse und Solarenergie ersetzt werden. Bisher haben sich diese Unruhen und das Unwissen über die Zukunft der Branche jedoch positiv auf die Größe des Sektors ausgewirkt.

 Neben 0,29 Prozent Insolvenzen und 1,42 Prozent gemeldeten Geschäftsauflösungen haben sich in den letzten 12 Monaten rund 1,8 Tausend Firmen neugegründet – ein Plus von 5,74 Prozent. Dieses Wachstum ist auch ein Zeichen für die dynamische Marktentwicklung. So gehören innovative Start-Ups oder Betreiber von Wind- und Solarparks ebenfalls zum Sektor und schaffen zukunftsorientierte Alternativen.

Chapter 1

Finanzielle Kennzahlen auf Grün: Überschuldete Unternehmen werden weniger

Dass die jüngst veranlassten Blockaden von russischen Gasmengen wirtschaftliche Änderungen der deutschen Energiebranche mit sich bringen wird, ist bis dato noch nicht belegt. Eine Auswertung der veröffentlichten Finanzzahlen aus dem Jahr 2021 zeigen erst einmal positive Tendenzen. 

So nahm die Anzahl der überschuldeten Unternehmen ab und sanken auf 15 Prozent. Die Auswirkungen der aktuellen Energiekrise sind darin aber noch nicht berücksichtigt, da die Zahlen zum aktuellen Geschäftsjahr erst zum Jahresende veröffentlicht werden. 

Auch die Eigenkapitalquote – also das Verhältnis vom Eigenkapital zum Gesamtkapital – steigt auf 28,4 Prozent, wodurch Firmen des Energiesektors weniger auf Fremdkapital angewiesen sind als zuvor. Die Ausfallwahrscheinlichkeit wiederum, die als Kennzahl des Insolvenzrisikos dient, steigt auf 1,2 Prozent. In dieser Risikoeinschätzung sind jedoch noch nicht alle Faktoren berücksichtigt. So sind beispielsweise Energieversorger mit Abhängigkeit von betroffenen Rohstoffen (z.B. Gas) besonders stark gefährdet, andere ­– die günstige Energiequellen beziehen – verzeichnen aufgrund des Merit-Order-Prinzips Rekordgewinne. 

Außerdem bringen auch staatliche Interventionen und Eingriffe die eigentlichen Marktprinzipien durcheinander, indem zum Beispiel milliardenschwere Unterstützungspakete für systemrelevante Unternehmen, wie VNG oder Uniper, bereitgestellt werden. Zur Einordnung: Als hohe Ausfallwahrscheinlichkeit gilt ein Wert von mehr als 3 Prozent, branchenübergreifend liegt der Durchschnittswert bei 1,63 Prozent.  

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Fazit: Finanzielle Bredouillen durch hohe Anlagenintensität

Der Ukraine-Krieg sowie die gesenkten Gaslieferungen aus Russland waren wie ein großer Knall für die deutsche Energiebranche. Plötzlich sollen so schnell wie möglich Pläne zur unabhängigen Versorgung geschmiedet und umgesetzt werden – und das besser gestern als heute. Ein Blick auf die Zahlen von überschuldeten Firmen der Branche beweist tatsächlich eine mangelnde Versorgungsautonomie. Dadurch sind die knapp 15 Prozent (überschuldete Unternehmen) aller im Sektor agierenden Unternehmen stark von externen Zulieferern und finanziellen Mitteln abhängig. 

Auch die durchschnittlich hohe Anlagenintensität von 51 Prozent zeigt, dass Energieversorger in herausfordernden Zeiten wie die momentane nicht immer flexibel und ad hoc auf zusätzliche Kosten reagieren können. Ihr Vermögen ist meist an Investitionen wie Erzeugungsanlagen und Finanzierung in Gas- und Strom-Netzwerke gebunden. 

Außerdem sind die Umstellungen der Geschäftsmodelle sowie die Investitionen in alternative Energiequellen sehr zeit- und kostenintensiv – besonders angesichts der anhaltenden Inflation. Erste Briefe in den Häusern des Landes bereiten die Menschen bereits auf eine Erhöhung der Energiepreise vor. Die Jahresabschlüsse von 2022 werden zeigen, in welchem Ausmaß Energieversorger tatsächlich auf die zahlreichen Risikofaktoren des wirtschaftlichen Krisenjahres reagieren. 

Energieversorgung in der Krise

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